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6. Mai An diesem Abend, in dieser Nacht, hatte Marie Vieles gesehen, das sie mit Schrecken erf?llte. Der Menschenstrom, der sich ?ber die Holzbr?cke w?lzte. Der brennende Turm von St. Nikolai, der so furchtbar die Nacht erhellte. Aber vor allem Adams blasses Gesicht, das dem Tode n?her schien als dem Leben. Die menschenleere Stra?e, die sich nun vor ihr in der Dunkelheit erstreckte, schien dagegen friedlich und sicher. Doch mit jedem Schritt, den Marie tat, gab der Weg langsam seine Schrecken preis. Es war offensichtlich, dass die Bewohner ihre H?user in gro?er Eile verlassen hatten. Die gemauerten Durchg?nge, die zu den H?fen f?hrten, waren mit Schr?nken und Kommoden verstellt. Ein breites Sofa, das keinen Platz auf den Wagen gefunden hatte, schien auf die R?ckkehr seines Besitzers zu warten. Zerbrochenes Geschirr lag vor einer offenen T?r. Nach der Flucht der Bewohner waren die Pl?nderer gekommen, und auch sie hatten Spuren hinterlassen. Der Boden war bedeckt mit den Scherben der eingeschlagenen Fenster. In einem der Rahmen hing noch das Wurfgeschoss, ein schwerer Holzschemel. Gepolsterten St?hlen hatten sie die Seidenbez?ge zerschnitten, sodass ihr Futter wie Ged?rm heraushing. Marie war nicht wohl in ihrer Haut und daf?r gab es gute Gr?nde. Die Vorstellung, allein durch dunkle Stra?en zu wandern, m?glicherweise betrunkenen Pl?nderern zu begegnen, war unangenehm genug. Doch die Sorge um Adam qu?lte sie noch mehr und schien wie ein Stein auf ihrer Brust zu liegen. Jeder Schritt strengte sie an und die Kopfschmerzen, die sie seit einer Stunde hatte, waren hier drau?en im Freien nicht besser geworden. Sie atmete tief ein, aber es belebte sie nicht. Die Luft schien schwerer zu sein als sonst. Sie wusste nicht viel von dem, was man die Naturwissenschaften nannte. Aber der Gedanke, dass das Feuer irgendwie die Luft vergiftete, erschien ihr naheliegend. Sie erinnerte sich an das B??erst?bchen im Waisenhaus. Eine kleine, fensterlose Kammer, in der die Kinder zur Strafe eingesperrt wurden. Dort hatten immer Kerzen gebrannt, die man nicht l?schen durfte, und nach einer Weile konnte es sehr unangenehm werden. Vielleicht war die ganze Stadt zu einem B??erst?bchen geworden, dachte sie. Doch dann kamen ihr Zweifel. Eine Stadt war keine verschlossene Kammer. Es konnte also nicht das Gleiche sein. Au?er Atem musste sie sich schlie?lich setzen und lie? sich auf der Treppe eines Hauseingangs nieder. Adam, dachte sie, du musst wieder gesund werden. Sie wollte, sie durfte ihn nicht verlieren. Wie viel Zeit hatten sie denn schon gemeinsam gehabt? Doch nur einige, wenige Stunden. Nein, sein Fieber war nicht so hoch. Es ging ihm gut. Er lag warm und sicher in ihrem Bett und Catharina hielt Wache neben ihm. Fast h?tte Marie gelacht. Ja, Catharina w?rde Wache halten, solange es bequem und sicher f?r sie war. Aber was w?rde sie tun, wenn das Feuer n?herkam? W?rde sie einfach davonlaufen und Adam seinem Schicksal ?berlassen? Marie bef?rchtete das Schlimmste. Der Schmerz pochte in ihrem Sch?del, als wolle er sie vorw?rtstreiben. Es war auf alle F?lle besser, sich zu bewegen. Deshalb erhob sie sich und machte sich wieder auf den Weg. Ein, zwei Fenster entlang der Stra?e waren von Kerzenlicht erhellt. Schatten bewegten sich langsam durch die R?ume, aber Marie bezweifelte, dass es Pl?nderer waren. Vielleicht waren die Bewohner dieser Geb?ude nicht in der Lage zu fliehen, vielleicht wollten sie es auch gar nicht. Vor ihr, in einiger Entfernung, lag ein gro?er Gegenstand auf der Stra?e. Zun?chst hielt sie es f?r ein weiteres sperriges M?belst?ck, das die Besitzer aufgegeben hatten. Doch als sie n?herkam, erkannte sie, dass es ein Pferdekadaver war. Marie blieb stehen und betrachtete das tote Tier. Die Zunge hing dem Pferd unnat?rlich weit aus dem offenstehenden Maul. An Hals und Bauch traten die angeschwollenen Adern hervor. Wie gebannt stand Marie da.

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